Urteil Haftungseinheit – Betreten der Autobahn nach Auffahrunfall

Der Sachverhalt

Nach Mitteilung der telefonischen Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline, musste ein Audi auf der Autobahn aufgrund eines Staus langsam abbremsen. Dabei fuhr der nachfolgende Pkw Marke Nissan leicht auf. Beide Fahrzeuge kamen auf dem mittleren Fahrstreifen zum Stillstand. Der Kläger nahm telefonisch Kontakt zur Polizei auf und stieg – weiterhin telefonierend – aus. Auch die anderen Beteiligten stiegen aus, um den Schaden zu begutachten. Beide Fahrzeuge waren technisch noch fahrbereit. Die Sicht war gut.

Der Kläger befand sich im Bereich zwischen den beiden Wagen, als ein VW nahezu ungebremst mit einer Geschwindigkeit von ca. 160 km/h auf den stehenden Nissan knallte. Dadurch wurde der Kläger eingequetscht, trug schwere Verletzungen davon und ist seitdem zu 100 Prozent erwerbsunfähig und schwerbehindert.

Der Kläger verklagte den VW-Fahrer daraufhin auf Schmerzensgeld. Dieser bestreitet zwar nicht, mit der hohen Geschwindigkeit den Unfall grob fahrlässig mitverursacht zu haben. Da der Kläger aber verbotenerweise die Autobahn betreten hatte, habe er durch seine Unachtsamkeit ebenso grob fahrlässig gehandelt und sich dadurch selbst in Gefahr gebracht. Daher möchte er lediglich die Hälfte der Unfallschuld anerkennen.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 1 U 136/12) gab dem Kläger nur zum Teil recht. Denn ein Blechschaden zu begutachten berechtige keine Ausnahme vom Verbot, die Autobahn zu betreten.

Der Leitsatz des Gerichts: "Die Fahrbahn von Autobahnen darf daher im Hinblick auf die damit verbundenen erheblichen Gefahren nur ganz ausnahmsweise, insbesondere in Notfällen zur Hilfeleistung (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 323c StGB), betreten werden. Ein Aussteigen zur Besichtigung eines geringfügigen (Blech-)Schadens rechtfertigt aber in der Regel keine Ausnahme vom Betretungsverbot. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile unter mehreren Unfallbeteiligten (§ 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB) bilden diejenigen für die Feststellung der auf sie entfallenden Quote eine Einheit, deren Verhalten sich im Wesentlichen in ein und demselben zum Unfall führenden Ursachenbeitrag ausgewirkt hat, bevor der von einem oder mehreren anderen Beteiligten zu vertretende Kausalverlauf hinzugetreten ist."

Die Hälfte der Unfallschuld treffe dem Kläger dadurch aber noch nicht. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile ergab, dass der Kläger seinen Schaden zu 20 % selbst zu tragen hat (§ 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB).

Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 24.6.2013 – 1 U 136/12

Quelle: Rechtsindex- Recht & Urteile

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