Fahrschüler müssen sich in den ersten Fahrstunden nicht nur auf die Straße, sondern auch auf solch grundsätzliche Dinge wie Kupplung, Bremse und Gaspedal und – nicht zu vergessen – das Lenken konzentrieren. Da kann es schnell mal zu einer brenzligen Situation kommen. Wer haftet, wenn Fahranfänger einen Unfall bauen, wissen ARAG Experten.
Fahrlehrer ist verantwortlich
Nach dem Straßenverkehrsgesetz – kurz: StVG – haftet grundsätzlich der Fahrzeugführer für Schäden, die er schuldhaft herbeigeführt hat. Von dieser Regel trifft § 2 Abs. 15 S. 2 StVG aber eine Ausnahme für Fahrten von Fahrschülern, die noch keine Fahrerlaubnis besitzen: Hier gilt der begleitende Fahrlehrer als Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des Gesetzes. Denn durch die Pedale auf der Beifahrerseite kann er unmittelbaren Einfluss auf das Fahrzeug nehmen. Das bedeutet aber auch, dass er den Fahrschüler ständig beobachten und bei gefährlichen Situationen jederzeit eingreifen muss. Er muss verhindern, dass der Wagen über eine rote Ampel fährt, und rechtzeitig bremsen, bevor es zum Auffahrunfall kommt. Gelingt ihm das nicht, ist er für begangene Verkehrsverstöße des Fahrschülers verantwortlich.
(Mit-) Haftung des Fahrschülers
Doch auch, wenn der Fahrschüler nicht nach dem StVG als Fahrzeugführer haftet, kann er aus allgemeiner Verschuldenshaftung nach § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Schäden (mit-)verantwortlich sein. Ob ihm ein fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden kann, beurteilt sich dabei im Wesentlichen nach seinem Ausbildungsstand. Bei einem Fahrschüler, der kurz vor der Prüfung steht, wird also ein weniger strenger Maßstab angelegt als bei einem Anfänger, der eine seiner ersten praktischen Fahrstunden absolviert.
Dementsprechend hat etwa das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine Fahrschülerin zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, die trotz eines entgegenkommenden Fahrzeugs nach links abgebogen war. Sie hatte zwar zunächst an der Fahrbahnmitte gewartet, weil sich aus der Gegenrichtung ein Wagen näherte. Dann war sie aber plötzlich angefahren. Obwohl der Fahrlehrer bremste, überfuhr der Fahrschulwagen die Mittellinie. Der entgegenkommende Fahrer musste bremsen, geriet ins Schleudern und kam von der Fahrbahn ab. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Fahrschülerin den Unfall angesichts ihrer Ausbildungssituation hätte vermeiden können und warf ihr deshalb zumindest leichte Fahrlässigkeit vor. Aber auch den Fahrlehrer traf aus Sicht des OLG eine Mitschuld: Er hätte nämlich in dem Augenblick, als die Fahrschülerin sich anschickte, die typischen dem Anfahren vorausgehenden Bedienungsbewegungen zu machen, sofort eingreifen können und müssen, um das Wiederanfahren zu vermeiden (Az.: 12 U 772/02).
Achtung Fahrschulwagen!
Dass Fahranfänger beim Anfahren an der grünen Ampel durchaus noch das eine oder andere Mal den Motor abwürgen, bevor sie das Zusammenspiel von Kupplung und Gaspedal im Griff haben, dürfte bekannt sein. Deshalb sollten die anderen Verkehrsteilnehmer auch besondere Vorsicht walten lassen, wenn sie einen Fahrschulwagen vor sich haben. Halten sie nämlich keinen ausreichenden Sicherheitsabstand ein, bleiben sie im Zweifel auf ihrem Schaden sitzen, wenn es zum Auffahrunfall kommt, wissen die ARAG Experten.
So ging es auch einem Münchner Autofahrer, der an einer roten Ampel hinter einem Golf stand. Als die Ampel grün wurde, fuhr der Golf an, bremste dann aber wieder abrupt ab. Der Hintermann fuhr auf das Heck des Golfs auf – und musste nicht nur für den Schaden am eigenen Auto, sondern auch für die Reparatur des Golfs aufkommen. Bei dem handelte es sich nämlich um einen Fahrschulwagen, weshalb das Landgericht (LG) München die Schuld beim Hintermann sah. Der hätte angesichts des Fahrschul-Schildes am Golf einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten müssen, weil bei Fahranfängern jederzeit mit Fahrfehlern zu rechnen sei (Az.: 19 S 14217/05).
Begleitetes Fahren
Und wie sieht es beim "Begleiteten Fahren" – umgangssprachlich auch "Führerschein mit 17" genannt – aus? Hier ist der Minderjährige Fahrzeugführer im Sinne des StVG und haftet daher auch für etwaige Unfallschäden, sofern ihm ein Verschulden vorgeworfen werden kann. Die Begleitperson zählt dagegen nur als Beifahrer. Sie ist damit haftungsrechtlich in der Regel außen vor – allerdings mit Ausnahmen: Wer etwa aktiv auf das Fahrgeschehen einwirkt, indem er dem Fahrneuling ins Lenkrad greift, kann ebenfalls haftbar gemacht werden, wenn es zum Unfall kommt.
Bloße Hinweise oder Ratschläge entlasten den Fahrer hingegen nicht – selbst, wenn sie sich als falsch herausstellen. Im Übrigen haftet der Beifahrer bei einem Verkehrsunfall auch ohne eigenes Verschulden, wenn er gleichzeitig Halter des Wagens ist (sogenannte Halterhaftung nach § 7 StVG).
Quelle: Ein Beitrag der ARAG SE